Kieler Dämmerung

Roman

 Inhalt


Wilhelm II wollte von seinem Volk geliebt werden. Und was tat er nicht alles dafür: Er baute Bismarcks Sozialversicherung aus, er stellte sich bei Arbeits-kämpfen auf die Seite der Arbeiter, er schuf Wohlstand und ein Reich, auf das die Untertanen stolz sein konnten. Und nicht zuletzt: Er zeigte sich dem Volk, wo immer es ging.

Gern und oft kam der Kaiser dabei nach Kiel, so oft, dass man ihm im neuen Hauptbahnhof einen eigenen Wartesaal einrichtete und am Ostflügel das Kaisertor mit Kaisertreppe baute, über die er ohne Umweg auf die Kaiserbrücke zu einer seiner Jachten marschieren konnte.

Auch zur Einweihung des neuen Kieler Rathauses am 12. November 1911 kam er, im Sonderzug, mit Gattin, Tochter und großem Gefolge.

 Zwei Tage zuvor reiste er abends an und nahm als Gast seines Bruders Heinrich  Quartier im  Kieler Schloss.  Am

nächsten Tag taufte Prinzessin Viktoria Luise vormittags ein Kriegsschiff und nachmittags wohnte seine Majestät der Vereidigung der Herbstrekruten bei. Am nächsten Vormittag fuhr der Kaiser bei Dauerregen ins Rathaus, hielt eine Rede, grüßte vom Balkon aus das Volk und nahm einen Schluck vom Ehrentrunk. Bis auf das Wetter verlief alles nach Plan.

So ist es überliefert. Aber vielleicht war es doch ganz anders. Immerhin war der Kaiser nicht bei allen Untertanen beliebt. Für viele war er ein Kriegstreiber und ein Garant sozialer Ungerechtigkeit.  Zwei Attentate hat er während seiner Regentschaft schon weitgehend unbeschadet überstanden – es waren Werke geistig verwirrter Untertanen. Aber was, wenn sich einmal gescheite Menschen einen teuflischen Plan ausdenken? Was, wenn es mehrere Pläne sind und die Polizei, ohne es zu ahnen, nicht ein Puzzle legen soll, sondern drei?